FAZ-Net: Osteuropa Enorm günstige Bewertung überkompensiert die Risiken
Doch die bulgarische Börse hat eine noch viel spannendere Wette zu bieten.
Zumindest gilt das für risikobereite Investoren, die einen gewissen
Pioniergeist mitbringen. Denn wer die Mühen bei der
Informationsbeschaffung und der Eröffnung eines Kontos nicht scheut, der findet
ein lukratives Betätigungsfeld. Zumindest für den Fall, dass die zugrunde
liegende Rechnung aufgeht.
Für Stefan Laxhuber, Herausgeber des Börsenbriefes „Der Ostinvestor“
bietet sich echten Value-Investoren in Bulgarien ein wahres Paradies, das bisher
kaum von ausländischen Fonds entdeckt wurde. Seinen Aussagen zufolge ist der Börsenplatz
besiedelt mit etlichen Unternehmen, die eine vernünftige Bewertung, solide
Wachstumsaussichten und eine vernünftige Eigenkapitalausstattung bieten.
Nachteile, wie ein noch immer nicht ganz behobenes politisches Risiko,
Probleme mit der Korruption und ein oft eigenwillig agierendes Rechtssystem
werden laut Laxhuber durch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis des Aktienmarktes von 1,5
wieder mehr als wettgemacht.
Etliche Privatisierungskandidaten
Richtig ins Schwärmen gerät der Osteuropaexperte, wenn er an die Chancen
denkt, welche die so genannten Vouchers bieten. Diese im Zuge der Aufarbeitung
des Kommunismus in der Bevölkerung als Entschädigung für den früheren
Verlust an Eigentum verteilten Berechtigungsscheine sind das einzige
Zahlungsmittel, mit denen die Anteile an den zur Privatisierung anstehenden
Unternehmen bezahlt werden können.
Das Interessante ist dabei nun Folgendes: Die Vouchers haben einen Nennwert
von eins. Das heißt, für zehn Vouchers erhält man eine Aktie zum Kurs von
zehn bulgarischen Lev, der im Übrigen an den Euro gekoppelt ist. An der Börse
sind die Vouchers derzeit aber noch immer für 0,25 Lev zu haben, obwohl sie
rein rechnerisch einen Wert von einem Lev entsprechen.
Das Schöne daran ist: Es stehen demnächst einige Unternehmen zur
Privatisierung an. Platziert werden soll unter anderem die DSK-Bank. Dabei
handelt es sich um die bulgarische Sparkasse, die gemessen an der Bilanzsumme
das zweitgrößte Institut des Landes und gemessen an der Zahl der Privatkunden
sogar der Branchenprimus ist. Wie lukrativ die DSK-Bank ist, zeigt sich auch
daran, dass sich ausländische Banken wie die ungarische OTP-Bank oder die österreichische
Erste Bank um ein Anteilspaket reißen.
Ebenfalls weiter privatisiert werden soll die Bulgartabak Holding. Bei dem
mit einem Marktanteil von 94 Prozent agierenden Tabakunternehmen beträgt die
Zahl der frei handelbaren Aktien nur rund sieben Prozent, was auf 20 Prozent erhöht
werden soll. An das Tor der Börse hatte fast auch schon die bulgarische Telekom
geklopft. Doch der Verkauf von 65 Prozent der Anteile an die amerikanische Viva
Ventures wurde in letzter Minute vom Gericht gestoppt, da man Unregelmäßigkeiten
bei der Entscheidung vermutete.
Volkswirtschaft befindet sich auf Wachstumskurs
Dieser Vorteil zeigt, dass die Wette auf die Vouchers vor Rückschlägen
nicht gefeit ist. Doch Laxhuber lässt sich von solchen Rückschlägen nicht
schrecken, denn er ist sich sicher: „Bulgarien wird und muss privatisieren.“
Dem pflichten auch die Analysten der WGZ-Bank bei. Sie sehen die gerichtlichen
Hemmnisse als fast vollständig beseitigt an und glauben, dass der Verkauf
unmittelbar bevorsteht.
Ansonsten berichten sie in ihrem neuesten Bericht zu Bulgarien eine Fülle
positiver Nachrichten. Als Pluspunkte werden der im Jahr 2007 winkende
EU-Beitritt, die Einladung zur Nato im Jahr 2004 und die Einigung mit dem
Internationalen Währungsfonds, die jüngst zur Auszahlung einer weiteren
Kredittranche führte, genannt.
Volkswirtschaftlich gesehen machen Bulgarien auch die erwarteten
Wachstumsraten interessant. Diese werden von der WGZ-Bank für 2003 auf 4,2
Prozent und für 2004 auf 4,5 Prozent geschätzt, nachdem das Plus im Vorjahr
3,9 Prozent betrug. Als weiterer Vorzug fällt Laxhuber auch noch die Mentalität
der Bevölkerung ein. Diese sei von einem gewissen Unternehmergeist geprägt.
„Die Leute krempeln die Ärmel hoch und wollen etwas anpacken“, hebt er
hervor.
Fundamentale Ausgangslage verspricht Potenzial
Wenn die Bulgaren wirklich Hand anlegen sollten, dann darf aber auch nicht
vergessen werden, dass sie in den kommenden Jahren noch einiges zu tun haben
werden. Denn die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor hoch und der Lebensstandard
niedrig. Das bewirkt, dass die Bulgaren selbst unter den Balkanländern als die
Konsummuffel gelten. Angesichts der Tatsache, das rund 65 Prozent des
Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel, Strom, Wasser, Heizung und Transport
verwendet werden, ist das aber nicht weiter verwunderlich. Natürlich lässt
sich aus diesem Zustand aber auch viel Nachholpotenzial herauslesen, das im Zuge
des erwarteten Wirtschaftswachstums in den kommenden Jahren abgearbeitet werden
könnte.
Vermutlich sind es Überlegungen wie diese, die Laxhuber in Bulgarien den
spannendsten Aktienmarkt überhaupt wittern lassen. Seine großen Hoffnungen,
die sich mit einer ähnlichen Ausgangslage im Baltikum bereits einmal
materialisierten, spiegeln sich in seiner Performanceprognose wider: „Wenn die
Politik nicht dazwischen funkt, sehe ich auf Sicht von vier Jahren ein
Kurspotenzial von 500 Prozent.“ Mancher Spekulant, der die damit verbundenen
Risiken einzuschätzen weiß, dürfte bei dieser Perspektive, selbst wenn sie
sich nur teilweise erfüllen sollte, demnächst auf Pionierfahrt gehen.
Bulgarische Vouchers sind der Geheimtipp für
Spekulanten
07. Februar 2003
Dass die Finanzmärkte der
EU-Beitrittskandidaten lukrative Anlagechancen bieten, ist inzwischen hinlänglich
bekannt. Schon längst hat die damit verbundene Fantasie auch die Börsen der
zweiten Beitrittswelle erfasst.
Allen voran gilt das für Bulgarien. Dort haben die Staatsanleihen seit
September rund zehn Prozent an Wert gewonnen und trotzdem werden die Titel von
Analysten, wie denen der WGZ-Bank, weiterhin zum Kauf empfohlen.
Text: Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung
gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
Text: @JüB