FAZ-Net: Osteuropa
Bulgarische Vouchers sind der Geheimtipp für Spekulanten

 
07. Februar 2003 
Dass die Finanzmärkte der EU-Beitrittskandidaten lukrative Anlagechancen bieten, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Schon längst hat die damit verbundene Fantasie auch die Börsen der zweiten Beitrittswelle erfasst.
Allen voran gilt das für Bulgarien. Dort haben die Staatsanleihen seit September rund zehn Prozent an Wert gewonnen und trotzdem werden die Titel von Analysten, wie denen der WGZ-Bank, weiterhin zum Kauf empfohlen.

Enorm günstige Bewertung überkompensiert die Risiken

Doch die bulgarische Börse hat eine noch viel spannendere Wette zu bieten. Zumindest gilt das für risikobereite Investoren, die einen gewissen Pioniergeist mitbringen. Denn  wer die Mühen bei der Informationsbeschaffung und der Eröffnung eines Kontos nicht scheut, der findet ein lukratives Betätigungsfeld. Zumindest für den Fall, dass die zugrunde liegende Rechnung aufgeht.

Für Stefan Laxhuber, Herausgeber des Börsenbriefes „Der Ostinvestor“ bietet sich echten Value-Investoren in Bulgarien ein wahres Paradies, das bisher kaum von ausländischen Fonds entdeckt wurde. Seinen Aussagen zufolge ist der Börsenplatz besiedelt mit etlichen Unternehmen, die eine vernünftige Bewertung, solide Wachstumsaussichten und eine vernünftige Eigenkapitalausstattung bieten.

Nachteile, wie ein noch immer nicht ganz behobenes politisches Risiko, Probleme mit der Korruption und ein oft eigenwillig agierendes Rechtssystem werden laut Laxhuber durch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis des Aktienmarktes von 1,5 wieder mehr als wettgemacht.

Etliche Privatisierungskandidaten

Richtig ins Schwärmen gerät der Osteuropaexperte, wenn er an die Chancen denkt, welche die so genannten Vouchers bieten. Diese im Zuge der Aufarbeitung des Kommunismus in der Bevölkerung als Entschädigung für den früheren Verlust an Eigentum verteilten Berechtigungsscheine sind das einzige Zahlungsmittel, mit denen die Anteile an den zur Privatisierung anstehenden Unternehmen bezahlt werden können.

Das Interessante ist dabei nun Folgendes: Die Vouchers haben einen Nennwert von eins. Das heißt, für zehn Vouchers erhält man eine Aktie zum Kurs von zehn bulgarischen Lev, der im Übrigen an den Euro gekoppelt ist. An der Börse sind die Vouchers derzeit aber noch immer für 0,25 Lev zu haben, obwohl sie rein rechnerisch einen Wert von einem Lev entsprechen.

Das Schöne daran ist: Es stehen demnächst einige Unternehmen zur Privatisierung an. Platziert werden soll unter anderem die DSK-Bank. Dabei handelt es sich um die bulgarische Sparkasse, die gemessen an der Bilanzsumme das zweitgrößte Institut des Landes und gemessen an der Zahl der Privatkunden sogar der Branchenprimus ist. Wie lukrativ die DSK-Bank ist, zeigt sich auch daran, dass sich ausländische Banken wie die ungarische OTP-Bank oder die österreichische Erste Bank um ein Anteilspaket reißen.

Ebenfalls weiter privatisiert werden soll die Bulgartabak Holding. Bei dem mit einem Marktanteil von 94 Prozent agierenden Tabakunternehmen beträgt die Zahl der frei handelbaren Aktien nur rund sieben Prozent, was auf 20 Prozent erhöht werden soll. An das Tor der Börse hatte fast auch schon die bulgarische Telekom geklopft. Doch der Verkauf von 65 Prozent der Anteile an die amerikanische Viva Ventures wurde in letzter Minute vom Gericht gestoppt, da man Unregelmäßigkeiten bei der Entscheidung vermutete.

Volkswirtschaft befindet sich auf Wachstumskurs

Dieser Vorteil zeigt, dass die Wette auf die Vouchers vor Rückschlägen nicht gefeit ist. Doch Laxhuber lässt sich von solchen Rückschlägen nicht schrecken, denn er ist sich sicher: „Bulgarien wird und muss privatisieren.“ Dem pflichten auch die Analysten der WGZ-Bank bei. Sie sehen die gerichtlichen Hemmnisse als fast vollständig beseitigt an und glauben, dass der Verkauf unmittelbar bevorsteht.

Ansonsten berichten sie in ihrem neuesten Bericht zu Bulgarien eine Fülle positiver Nachrichten. Als Pluspunkte werden der im Jahr 2007 winkende EU-Beitritt, die Einladung zur Nato im Jahr 2004 und die Einigung mit dem Internationalen Währungsfonds, die jüngst zur Auszahlung einer weiteren Kredittranche führte, genannt.

Volkswirtschaftlich gesehen machen Bulgarien auch die erwarteten Wachstumsraten interessant. Diese werden von der WGZ-Bank für 2003 auf 4,2 Prozent und für 2004 auf 4,5 Prozent geschätzt, nachdem das Plus im Vorjahr 3,9 Prozent betrug. Als weiterer Vorzug fällt Laxhuber auch noch die Mentalität der Bevölkerung ein. Diese sei von einem gewissen Unternehmergeist geprägt. „Die Leute krempeln die Ärmel hoch und wollen etwas anpacken“, hebt er hervor.

Fundamentale Ausgangslage verspricht Potenzial

Wenn die Bulgaren wirklich Hand anlegen sollten, dann darf aber auch nicht vergessen werden, dass sie in den kommenden Jahren noch einiges zu tun haben werden. Denn die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor hoch und der Lebensstandard niedrig. Das bewirkt, dass die Bulgaren selbst unter den Balkanländern als die Konsummuffel gelten. Angesichts der Tatsache, das rund 65 Prozent des Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel, Strom, Wasser, Heizung und Transport verwendet werden, ist das aber nicht weiter verwunderlich. Natürlich lässt sich aus diesem Zustand aber auch viel Nachholpotenzial herauslesen, das im Zuge des erwarteten Wirtschaftswachstums in den kommenden Jahren abgearbeitet werden könnte.

Vermutlich sind es Überlegungen wie diese, die Laxhuber in Bulgarien den spannendsten Aktienmarkt überhaupt wittern lassen. Seine großen Hoffnungen, die sich mit einer ähnlichen Ausgangslage im Baltikum bereits einmal materialisierten, spiegeln sich in seiner Performanceprognose wider: „Wenn die Politik nicht dazwischen funkt, sehe ich auf Sicht von vier Jahren ein Kurspotenzial von 500 Prozent.“ Mancher Spekulant, der die damit verbundenen Risiken einzuschätzen weiß, dürfte bei dieser Perspektive, selbst wenn sie sich nur teilweise erfüllen sollte, demnächst auf Pionierfahrt gehen.

Text: Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.

Text: @JüB