FAZ-Net: Osteuropa
„Bulgariens Börse hat das größte Kurspotenzial“

 
05. November 2003 

Die erste Beitrittswelle osteuropäischer Staaten zur Europäischen Union steht zwar erst noch bevor. Aber da die Börsianer gerne schon sehr früh in die Zukunft blicken, rücken aus Anlageüberlegungen heraus bereits jetzt die Länder der zweiten Welle in den Fokus des Interesses. So sind die Indizes in Bulgarien und Rumänien in den vergangenen zwölf Monaten schon um rund 200 Prozent gestiegen.

Offenbar zu Recht. Denn die EU-Kommission lobt ihn ihrem zur Wochenmitte veröffentlichten Fortschrittsbericht die Länder Bulgarien und Rumänien für ihre insgesamt erfolgreiche Vorbereitungsarbeit. Das macht es wieder etwas wahrscheinlicher, dass diese beiden Ländern zusammen mit Kroatien im Jahr 2007 zur EU stoßen werden.

Die daraus resultierende Phantasie dürfte die zuletzt zum Teil sehr gut gelaufenen Aktienkurse an diesen Börsen weiter beflügeln. FAZ.NET fragte Osteuropa-Experte Stefan Laxhuber, Herausgeber des Börsenbrief „Der Ostinvestor“ wie er die Aktienmärkte der Beitrittskandidaten der zweiten Welle beurteilt.

Herr Laxhuber, wie beurteilen Sie die Kursaussichten der Börsen in Bulgarien, Kroatien und Rumänien?

Generell habe ich zu diesen Märkten eine positive Einstellung. Wenn ich dabei eine Reihenfolge aufstellen müßte, würde ich dabei Bulgarien vor Rumänien bevorzugen und erst an dritter Stelle nach Kroatien blicken.

Welchen Nachteil hat der kroatische Aktienmarkt?

Auf die Volkswirtschaft halte ich zwar auch große Stücke, aber die kroatische Börse hat ganz einfach einen Bewertungsnachteil, was auch damit zusammenhängt, dass wir hier zwischenzeitlich einfach nicht so tief abgestürzt sind. Als Beleg für diese These muß man nur den kroatischen Pharmawert Pliva mit der bulgarischen Sopharma vergleichen. Pliva ist rund vier Mal so teuer, und das, obwohl das Unternehmen einseitiger ausgerichtet ist. Zu bedenken ist in Sachen Kroatien auch, dass in diesem Land die Wachstumsrate in den nächsten Jahren zwar noch relativ hoch bleiben dürfte, aber vom derzeitigen Niveau doch etwas nachgeben dürfte. Bulgarien und Rumänien sollte es aber gelingen, beim Wachstum konstant Raten von vielleicht über fünf Prozent realisieren zu können.

Was veranlaßt sie dann, Rumänien schlechter zu beurteilen als Bulgarien?

Der dortige Aktienmarkt ist zwar deutlich liquider als die Börse in Bulgarien. Aber auch hier spielen letztlich Bewertungsüberlegungen die entscheidende Rolle. Während das Kurs-Gewinn-Verhältnis in Rumänien auf rund neun zu veranschlagen ist, beläuft sich diese Kennziffer für den bulgarischen Gesamtmarkt auf unter fünf. Zudem ist die Korruption in Rumänien ein noch größeres Problem. Auch stößt man bei den bulgarischen Unternehmen verglichen mit Bulgarien zu oft noch auf taube Ohren, wenn es darum geht, Informationen über die Geschäftsergebnisse zu bekommen. Obwohl ich schon oft persönlich vorstellig wurde, gibt man sich häufig noch verschlossen. Ich hasse aber nichts mehr, als bei der Aktienanlage im Nebel zu stochern. Das läuft in Bulgarien oft ganz anders, weshalb ich dort das Chance-Risiko-Profil als interessanter erachte.

Welche Einzelaktien gefallen Ihnen besonders am viel gelobten bulgarischen Aktienmarkt?

Zu nennen sind die zunächst einmal die Touristikunternehmen. In meinem Musterdepot finden sich gleich drei Werte aus diesem Sektor. Als Standardwert schlechthin gilt davon vor allem Albena. Hier winken in den nächsten Jahren schöne Wachstumsraten, trotzdem ist die Gesellschaft auch nach massiven Kurssteigerungen noch immer erst mit umgerechnet 60 Millionen Euro bewertet. Chancen bieten sich auch im Tabaksektor. Hier gefällt mir besonders die Bulgartabac Holding. Deren beiden größten börsennotierten Töchter bringen eine höhere Marktkapitalisierung auf die Waage, und das, obwohl die Mutter nicht  nur an ihnen sondern auch an 28 weiteren Gesellschaften beteiligt ist. Dieses Missverhältnis dürfte demnächst korrigiert werden. Interessant sind auch einige Holdings. Hier finden sich mitunter Kurs-Gewinn-Verhältnisse zwischen 1,5 und 2. Allerdings sind diese Titel auch oft etwas illiquide.

Was versprechen Sie sich konkret von den besprochenen Märkten in den kommenden Jahren?

In Kroatien finde ich wenig spannende Einzelwerte, weshalb ich eher etwas zurückhaltend gestimmt bin. Rumänien sollte man derzeit sogar eher meiden, weil die Börse einen etwas überhitzten Eindruck macht. Richtig bullisch bin ich aber unverändert für den bulgarischen Markt.

Das Musterdepot zu Bulgarien in meinem Börsenbrief habe ich mit dem Ziel einer Performance von 1.000 Prozent eröffnet. Bei einem derzeitigen Plus von rund 240 Prozent seit der Auflage im November 2002 haben wir in sehr kurzer Zeit ein größeres Stück Wegstrecke zurückgelegt, als ich dachte. Bleiben politische Störfeuer aus und entwickelt sich die Wirtschaft weiter wie derzeit prognostiziert, dann kann der Aktienindex Sofix, der im Tief des Jahres 2002 bis auf 80 Zähler abgestürzt war und momentan bei rund 453 Punkten notiert, bis 2007 aber durchaus in einen Bereich zwischen 2.000 und 3.000 Punkten vorstoßen.

Das hört sich jetzt zwar nach einer gewagten Prognose an, ist aber aus den genannten Gründen machbar. Wer noch nicht engagiert ist, sollte derzeit aber nur mit einem Teil seines Geld investieren und das restliche Pulver für mögliche temporäre Kurskorrekturen trocken halten. Das Dumme ist nur, dass ich bereits seit einiger Zeit auf eine Reaktion nach unten warte, diese aber einfach nicht kommt.  

Das Gespräch führte Jürgen Büttner