Erschienen am 2.12.2004 / Seite 25 # Zusätzlich veröffentlicht in FAZ.NET am 30.11.2004

Dies ist ein stark gekürzter Auszug! Der vollständige Text kann z.B. im Archiv der FAZ nachgelesen werden.

Ukrainische Aktien erscheinen günstig bewertet
„Die meisten Anleger zeigen Solidarität mit der Ukraine"

Der Kampf um die Macht in der Ukraine elektrisiert das ganze Land. Und natürlich diktiert die nach den Stichwahlen entstandene Pattsituation auch an den dortigen Finanzmärkten das Geschehen. Wie groß die Nervosität ist, zeigt sich an den herben Verlusten, welche die hierzulande gehandelten ukrainischen Euro-Staatsanleihen hinnehmen mussten.

Viele ukrainische Aktien sind sehr niedrig bewertet

Die Standhaftigkeit der engagierten Investoren lässt sich durch das große Gewinnpotenzial erklären, das im Falle einer friedlichen Lösung winkt. Denn unabhängig von den politischen Wirren ist der ukrainische Aktienmarkt fundamental gesehen durch ein sehr gutes wirtschaftliches Umfeld gesegnet. Die Wirtschaft expandiert im fünften Jahr in Folge und in diesem Jahr dürfte das Plus beim BIP sogar 12 Prozent betragen. So lauteten zumindest die Schätzungen vor Beginn der Demonstrationen und beim IWF wurde bei einer erwarteten Anstiegsrate des BIP von acht Prozent schon zuversichtlich auf das kommende Jahr geblickt.

„Die Rechtssicherheit in der Ukraine ist zwar ebenso wie die Abwicklung und das Settlement noch deutlich unterentwickelt. Aber selbst gegenüber den ohnehin schon niedrig bewerteten russischen Aktien haben viele ukrainische Werte ein Aufholpotenzial von 200 bis 800 Prozent”, erklärt Stefan Laxhuber, Herausgeber des Börsenbriefes „Ostinvestor” und intimer Kenner der ukrainischen Börse. So beziffert er das KGV auf Basis der für 2004 erwarteten Gewinne bei von ihm favorisierten Titeln wie dem Ölkonzern Ukranafta auf 3,1 oder dem Stahlhersteller Zaporozhstal auf 3,7. Wobei bei diesen ohnehin schon günstigen Relationen zu bedenken ist, dass die Gewinne 2005 weiter wachsen sollen.

Fakten wie diese lassen auch RZB-Analyst Gintaras Shlizhyus nicht unbeeindruckt. In der Begründung für seine Verkaufsempfehlung entschuldigt er sich praktisch für seine Entscheidung und räumt ein, dass „unter anderem Umständen die fundamentalen Rahmenbedingungen eine Kaufempfehlung rechtfertigen würden.”

Kurzfristig hängt alles am Ausgang der Krise 

 

Bei der Beurteilung der weiteren Kursaussichten an der ukrainischen Börse hängt somit letztlich alles davon ab, ob es doch noch zu Blutvergießen kommt oder eine friedliche Lösung gefunden werden kann. „Ob und wann der Markt das vorhandene Kurspotenzial erkennt, bestimmen alleine die politischen Rahmenbedingungen ab”, räumt Laxhuber ein. Sollte es zu einer baldigen Normalisierung der Lage kommen, kann es zu einer regelrechten Kursexplosion kommen und im umgekehrten Fall natürlich zu entsprechend drastischen Kursabschlägen. Aber an die schlechte Variante wollte Tarabakin schon in der Vorwoche überhaupt nicht denken. „Die Stimmung auf den Straßen in Kiew ist friedlich und einfach unglaublich. Ich glaube fest an ein gutes Ende. Dass das Ganze zu einem Bürgerkrieg eskaliert, kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.” 

 

Sollte seine These zutreffen, hofft Tarabakin auf schnelle Kursgewinne in einer Größenordnung von 20 Prozent. Und in bestimmten Bereichen seien dann langfristig sogar noch größere Kursgewinne drin. Setzt sich Oppositionskandidat Juschtschenko durch, seien Versorger wie Zakhidenergo und Dniproenergo erste Wahl. Denn diese zuletzt schlechter als der Markt gelaufenen Titel dürften dann von der Aussicht auf eine baldige Reform des Versorgersektors profitieren. Doch diese Möglichkeiten zum Geld verdienen sind Zukunftsmusik, fürs Erste hat Tarabakin nur eine Bitte: „Sagt den Anlegern, dass sie so cool bleiben sollen wie die Demonstranten in Kiew.”